Persönliches


Meine Nähgeschichte – ein kurzer Essay

Wie ich zum Nähen kam
Ich bin im Osten Deutschlands aufgewachsen. Wie so viele meiner Generation (Jahrgang 1968) und Herkunft hatte ich keine große Auswahl an fertig konfektionierter Kleidung bzw. die Anzahl und Qualität der angebotenen Konfektionsware war sehr gegrenzt. Meine Mutter besaß eine Nähmaschine und wie viele meines Alters begann auch ich mit 13, 14 Jahren, damit zu experimentieren. Um sich individuelle Kleidungstücke herzustellen – die passten, schick waren und sich wohltuend abhoben vom allgemeinen DDR-Kaufhaus-Modetrend bzw. mit Stolz vorgeführter Secondhand-Mode aus dem Westen. Zunächst waren es nur unzählige Flicken, die auf die Lieblingsjeans aufgesetzt wurden, danach eine Bluse, Röcke (die eher Ähnlichkeit mit Kartoffelsäcken hatten und ansonsten auch ziemlich öko aussahen), Shirts. Und ich begann zu stricken, zu häkeln, zu sticken, alles mögliche mit meinen Händen herzustellen.
Mit 23 Jahren kaufte ich meine erste Nähmaschine. Sie begleitete mich viele Jahre, bis ich mir vor acht Jahren eine „gute“ Pfaff leistete, mit der ich heute noch nähe. Gelegentlich wünsche ich mir eine Overlock, auch mit einer Stickmaschine habe ich schon geliebäugelt, aber ich komme hervorragend mit meinem Maschinchen zurecht.
Wieso nähe ich jetzt immer noch – da ich doch alles kaufen könnte – nun, da auch ich im „Westen“ lebe?
Genau aus diesm Grund. :-)
Meine größere Tochter war zwei, als ich mich dazu entschloß, meine eigene Kleidung und ihre mit meiner eigenen Nähmaschine zu nähen. Ich hatte nicht viel Geld – das Studium abgebrochen, eine Ausbildung zur Krankenschwester angefangen, und ich sah es überhaupt nicht ein, eine Riesensumme für Kindersachen auszugeben, wenn ich für den Preis EINES T-Shirts gleich drei Meter guten Jerseys kaufen konnte und daraus VIER T-Shirts nähen konnte. Dazu kam noch, daß ich schon mit 19 eine Figur hatte, die mit der üblichen Konfektionsware nicht gut zurechtkam – die Ärmel waren IMMER zu kurz, die Schultern zu schmal, und die Jeans saßen nur dann einigermaßen, wenn ich nachgeholfen hatte.
Also begann ich, selbst zu nähen. Für meine erste Bluse habe ich 16 Stunden gebraucht... und die erste Hose war in 12 Stunden fertig – ein Horror, den Reißverschluß einzunähen!!! Knopflöcher mit der Hand genäht!!! Darüber kann ich heute nur schmunzeln...
Jedenfalls nähte ich damals und nähe heute immer noch.
Das hat mittlerweile nichts mehr mit Sparen und wenig verfügbaren Geldes zu tun – sondern mit Prinzip. Ich nähe, weil dies für mich eine Art politischer Haltung, eine Art Konsumverweigerung darstellt, eine Möglichkeit, gegen das System zu protestieren. Ich nähe, weil ich mich nicht abhängig machen will von zentral (das heißt von wenigen Menschen) vorgegebenen Modetrends. Weil ich nicht dran beteiligt sein will, daß immer mehr verdient wird an immer schlechteren Produkten, die nur mit knapper Not eine Saison durchhalten.
Weil ich es höchst bedauerlich finde, daß man dem Durchschnittsmenschen auf der Straße ansieht, bei welchem Kleidungsdiscounter er eingekauft hat – und daraus direkte Rückschlüsse auf dessen Einkommen, finanzielle Lage und vor allem seinen Geschmack (vom Charakter ganz zu schweigen) ziehen kann. Das hat mich schon zu DDR-Zeiten angeko...., als man schon anhand der Klamotten sehen konnte, wer denn jetzt West-Verwandtschaft hatte, die mit Westpäckchen elegant ihre alten getragenen Sachen entsorgt hat.
Ich nähe, weil nur ich meinen Geschmack kenne. Weil ich meine Kleidung auf meine Maße und Bedürfnisse abstimmen kann, weil ich nicht von einer Vorauswahl irgendwelcher Einkäufer abhängig sein will (das stört mich auch im Supermarkt – der nur das anbietet, was irgendein Schreibtisch-Typ bestimmt hat). Und weil es mir Spaß macht. Freude bereitet, Befriedigung verschafft, mein Glücksempfinden erhöht.
Und weil es zu mir paßt.
Lange störte es mich ungemein, wenn man mich auf meine Kleidung hin ansprach und mich fragte, wo ich es denn gekauft hätte. Alle waren begeistert davon und wollten es auch (kaufen) – bis sie erfuhren, es sei ja „nur selbstgenäht“. Diese Einstellung begegnete mir über die Jahre immer wieder und es ist wirklich schwer, sich das nicht zu Herzen zu nehmen.
Mittlerweile sehe ich es als Kompliment, wenn jemand mir sagt, es sähe ja aus „wie gekauft“.
Schüttle im Stillen meinen Kopf und denke mir meinen Teil... Es heißt ja auch von besonders schönen Blumen oder Früchten, sie sähen aus „wie gemalt“. Akzeptiert. :-)

Das war in Kürze (aber länger als ich gedacht hätte) die Geschichte, wie ich zum Nähen kam...

Herzlichst, Sathiya

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